Der Darm im Fokus!

Liebe Leserinnen und Leser! Heute haben wir die Möglichkeit, eine wahre Expertin in Sachen Darmgesundheit begrüßen zu dürfen. Frau Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. med. univ. Vanessa Stadlbauer-Köllner MBA steht uns für einige Fragen zum Thema Darm zur Verfügung.

Im Darm befinden sich Milliarden Mikroorganismen, sie bilden das Darmmikrobiom. Wie ist dieses zusammengesetzt und welche Aufgaben hat es?
Das Darmmikrobiom kann quasi als eigenes Organ angesehen werden. Es ist ein eigenes Ökosystem aus Milliarden an Lebewesen. Neben ca. 800–1000 verschiedenen Bakterienstämmen sind ebenso Pilze, Viren und Archaeen in diesem Ökosystem vertreten. Die „guten“ Bakterien, die Kommensalen, leben in Symbiose mit uns. Sie ernähren sich über unsere Nahrung und produzieren verschiedene Stoffwechselprodukte, zum Beispiel kurzkettige Fettsäuren, die gut für die Darmbarriere sind. „Schlechte“ Bakterien, die sich ebenso im Darmmikrobiom befinden, werden in diesem Ökosystem normalerweise unterdrückt. Allerdings gelingt dies nicht immer.​

Welche Faktoren können das Darmmikrobiom stören?
Die Ernährung beeinflusst das Darmmikrobiom sehr stark. Selbiges gilt für Alkohol und Medikamente. Ein Problem ist, dass man diese Entwicklung im Darmmikrobiom nicht direkt spürt. Die Darmbarriere wird langsam gestört und bakterielle Bestandteile – zum Beispiel Wandbestandteile oder Stoffwechselprodukte – gelangen dann in die Leber und in den Kreislauf, wo sie Auswirkungen auf unterschiedliche körperliche Prozesse haben. Die Auswirkungen können sogar das Gehirn betreffen – über die sogenannte Darm-Hirn Achse.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Diabetes 2 oder Adipositas?
Zuviel Fett und Zucker in unserer Nahrung führt zu einer Störung der Zusammensetzung des Darmmikrobioms und der Darmbarriere. Über eine gestörten Darmbarriere gelangen bakterielle Wandbestandteile, zum Beispiel sogenannte Endotoxine, vermehrt in unseren Körper – zuerst in die Leber und dann auch in den gesamten Blutkreislauf. Unser Körper reagiert darauf mit einer leichten, kaum messbaren, Entzündungsreaktion. Dies führt zu Störungen im Stoffwechsel, zum Beispiel zu einer gestörten Glukosetoleranz, was wiederum die Gewichtszunahme begünstigt. Durch diesen Teufelskreis steigt unter anderem das Risiko, an Diabetes 2 und Adipositas zu erkranken, an.

Stichwort Antibiotika: Was sollte man während einer Antibiotikaeinnahme beachten, damit der Darm stabil bleibt?
Antibiotika sind grundsätzlich da, um Bakterien umzubringen. Neben den schlechten erwischen sie aber auch Teile der guten Darmbakterien. Dadurch nimmt die Diversität im Darmmikrobiom ab und es kann eine Antibiotika-assoziierte Durchfallserkrankung entstehen. Daher sollen Antibiotika nur dann eingesetzt werden, wenn sie medizinisch notwendig sind. Um Antibiotika-assoziierten Durchfällen vorzubeugen, können zusätzliche zur Einnahme des Antibiotikums probiotischen Bakterien eingenommen werden. Sie helfen allerdings nur dann, wenn man sie ab dem Beginn der Antibiotikaeinnahme oder maximal bis 48h nach Beginn der Antibiotikatherapie zu sich nimmt. Dadurch kann sich das Durchfallrisiko laut Studien um bis zu 60 % reduzieren. Da es viele Produkte am Markt gibt, ist es wichtig, ein Probiotikum einzunehmen, das auch für genau diese Anwendung klinisch getestet wurde. Beratung hierzu erhalten Sie von Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin/dem Apothekenpersonal Ihres Vertrauens.

Wie können wir die Darmgesundheit im Alltag aktiv fördern?
Eine vielfältige, ballaststoffreiche Ernährung ist für das Darmmikrobiom sehr wichtig. Regionale und saisonale Produkte sind von besonderer Bedeutung. Regionale Produkte haben eine anderes Mikrobiom als aus der Ferne eingeflogenes Obst und Gemüse. Das Motto „Was für die Umwelt gut ist, ist auch für den Darm gut“ trifft es perfekt. Joghurtgetränke mit zugesetzten Probiotika können ebenso hilfreich sein, allerdings sind diese Bakterien sehr empfindlich und bereits eine kurz unterbrochene Kühlkette zerstört viele davon. Fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut sind gesund für den Darm, aber einer Krankheit damit zu behandeln ist nicht möglich, da die Bakterienzusammensetzung sehr variabel ist.Neben der Ernährung ist es wichtig, dass Medikamente nur dann eingenommen werden, wenn sie verordnet werden. Ein Magenschutz-Präparat nur zur Vorbeugung, wenn man deftig essen und trinken will, kann zum Beispiel mehr schaden als nutzen. Bewegung und ausreichend Schlaf sind ebenso maßgeblich für die Darmgesundheit. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Vorsorgeuntersuchungen (Darmkrebs). Ab dem 45 Lebensjahr kann in Österreich jede Person entweder eine Vorsorge-Darmspiegelung oder eine jährliche Stuhluntersuchung auf verstecktes Blut in Anspruch nehmen. Denn den Darmkrebs spürt man nicht, bis es zu spät ist.

Wir bedanken uns vielmals bei der Expertin Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. med. univ. Vanessa Stadlbauer-Köllner MBA!

„Darmflora“ ist ein alter und eigentlich „falscher“ Begriff für Darmmikrobiom, denn das Darm-Mikrobiom enthält keine Pflanzen (Flora).

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