Dr. Medicus Historicus: Tollwut

Die Coronapandemie ist für die meisten Menschen die erste Pandemie, die sie selbst ­hautnah miterleben, doch es ist nicht die erste der Weltgeschichte. Pandemien und weit verbreitete Krankheiten, an denen Millionen von Menschen erkrankten und auch sehr viele verstarben, tauchten in den letzten Jahrhunderten regelmäßig auf. Durch den medizinischen Fortschritt wie Impfungen, die Entwicklung von Antibiotika und vieles mehr konnte den meisten dieser Erkrankungen der Schrecken genommen werden. Einige sind komplett von der Bildfläche verschwunden, andere kommen nur noch in weit geringerem Ausmaß vor und lassen sich heutzutage gut behandeln. Im Jahr 2022 möchten wir Ihnen in jeder Ausgabe eine Erkrankung vorstellen, die in den letzten Jahrhunderten zahlreiche Menschenleben forderte und die Medizinerinnen und Mediziner vor gewaltige Herausforderungen stellte. Unser fiktiver Mediziner Dr. Medicus Historicus nimmt Sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit und beleuchtet wichtige Ereignisse der Medizingeschichte.

Tollwut 

Briefmarke mit Abbildung von Louis Pasteur. Tollwut
Louis Pasteur war entscheidend an der Entwicklung der Tollwutimpfung beteiligt.

Wenn ein Mensch sprichwörtlich „Schaum vor dem Mund“ hat, schäumt er oder sie vor Aggression oder Wut. Hat hingegen ein Tier Schaum vor dem Mund, ist dies ein deutliches Anzeichen einer Tollwuterkrankung. In unseren Breiten kommt es kaum noch zu Tollwutfällen, in anderen Regionen hingegen ist das Problem dieser meist tödlich verlaufenden Krankheit leider noch nicht ausgerottet.

Wir schreiben das Jahr 1970. Der Jäger Johann L. ist bereits lange vor Sonnenaufgang auf der Pirsch. Er hält Ausschau nach Wildschweinen, die es in den vergangenen Tagen immer häufiger vom geschützten Wald in Richtung des Dorfes gezogen hat. Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern, allen voran jenen mit Kindern, hat sich daher Unsicherheit breitgemacht, schließlich sind Wildschweine zwar nachtaktive Tiere, aber auch zur Morgenstund’ kann man auf sie treffen. Plötzlich entdeckt der Jäger gerade einmal 15 Meter vor sich, mitten auf der Forststraße, einen verendeten Fuchs. Allerlei Insekten haben sich schon über den Kadaver hergemacht und genießen die willkommene Mahlzeit. Den Schaum, den das Tier um den Mund trägt, ignorieren sie. Johann L. nähert sich dem toten Geschöpf aufgrund der Gefahr eines Fuchsbrandwurms nur bis auf wenige Meter. Rasch erkennt der erfahrene Jäger die Todesursache, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Schließlich deutet der weiße Schaum darauf hin, dass der Fuchs an Tollwut verstorben ist. Nun heißt es schnell handeln, denn die Gefahr ist groß, dass weitere Tiere und Menschen an dieser Plage erkranken, die in den vergangenen Jahrhunderten in Österreich einige Menschenleben und viele Tierleben gekostet hat.

99 % der weltweiten Fälle von Tollwut bei Menschen werden durch Hunde übertragen. Die einzige Behandlungsmöglichkeit ist die sofortige Impfung direkt nach dem Tierbiss. Ist die Tollwut bereits ausgebrochen, gibt es bislang keine wirksame Therapie.

Tiere übertragen die Krankheit auf den Menschen

Fast alle Säugetiere können theoretisch das Virus auf Menschen übertragen, allerdings sind Füchse, Fledermäuse, Katzen, Pferde oder Nagetiere nur für etwa 1 % der Fälle verantwortlich. In circa 99 % übertragen Hunde das Virus auf den Menschen, meist durch einen Biss. Freilich kann das Virus in seltenen Fällen auch Schürfwunden als Eintrittspforte nutzen, wenn es zu einem direkten Kontakt mit dem Speichel eines infizierten Tieres kommt. Das Virus, das die Tollwut auslöst, nennt sich übrigens „Rabiesvirus“ (umgangssprachlich „Tollwutvirus“). Kommt man damit in Berührung, zeigen sich erste Symptome oftmals erst nach Wochen.

Die Symptome von Tollwut beim Menschen

Mann an Tollwut erkrankt liegt im Bett. Illustration
Wölfe, Füchse oder Hunde mit Schaum um den Mund – so sieht das klassische Bild eines von Tollwut betroffenen Tieres auf. Die Viruserkrankung greift das Nervensystem von Menschen und Tieren an.

Es beginnt mit unspezifischen Symptomen wie Zeichen eines grippalen Infektes, Schmerzen und Jucken im Bereich der Bisswunde. In weiterer Folge kommt es zu Verwirrtheit und aggressivem Verhalten. Vermehrter Speichelfluss, Schwitzen und Gänsehaut wurden ebenso bei Betroffenen beobachtet, und auch Krampfanfälle sowie Lähmungserscheinungen sind nicht auszuschließen. Störungen des vegetativen Nervensystems (Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Verdauung) treten auf, bevor der Tod, meist durch Lähmung der Atemmuskulatur, eintritt. Es gibt keine Behandlung bei Tollwut, der Ausbruch der Erkrankung kann aber in den meisten Fällen durch eine Impfung unmittelbar nach einer Ansteckung noch verhindert werden; diese besteht aus mehreren Teilimpfungen, die innerhalb weniger Wochen verabreicht werden müssen.

In Österreich gilt die Tollwut als ausgerottet

Wann und wo die Tollwut zum ersten Mal aufgetreten ist, lässt sich heute schwer abschätzen. Klarheit über die Ursache der Erkrankung erlangte man erst im 19. Jahrhundert. 1885 gelang es dem Wissenschaftler Louis Pasteur, aus dem Rückenmark eines infizierten Kaninchens abgeschwächte Tollwutviren zu gewinnen und daraus einen Impfstoff zu entwickeln, mit dem er angesteckte Personen erfolgreich behandelte. Dank Maßnahmen wie der sogenannten „Fuchsköderimpfung“ (hierbei werden mit Impfstoff präparierte Köder ausgelegt, die für Füchse bestimmt sind) konnte die Tollwut in Österreich ausgerottet werden. Eine Infektion nach einem Biss ist somit so gut wie auszuschließen, daher werden vorbeugende Tollwutimpfungen in Österreich nur noch an besonders gefährdete Personen (z. B. Tierärztinnen und Tierärzte) verabreicht. Der letzte offizielle Fall einer Tollwutinfektion eines Menschen in Österreich wurde 1979 diagnostiziert, danach kam es allerdings noch zu einer Reihe an importierten Fällen. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich weltweit weiterhin einige Zehntausend Menschen an Tollwut, davon 60 % in Asien und 36 % in Afrika.

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