Das Leben wieder hören

Dr. Schobel beantwortet Fragen zum Thema Hörprobleme

Protrait von HNO Arzt Dr. Johannes Schobel
Dr. Johannes Schobel
Grenzgasse 12
3100 St. Pölten
02742 354322

Nennen Sie uns erste (mögliche) Anzeichen einer Schwerhörigkeit.
Mögliche erste Anzeichen einer Schwerhörigkeit sind in der Regel Verständigungsprobleme und nicht ein „Hörproblem“. Eine typische Aussage von Betroffenen lautet: „Ich höre noch gut, verstehe aber schlecht.“ Dieses Verständigungsproblem tritt zuerst bei geräuschvoller Umgebung auf, also z. B. in der typischen Party-Situation mit vielen Leuten auf engem Raum.
Welche sind die gängigsten Ursachen für Hörprobleme?
Ein Hörsturz ist für die Betroffenen ein durchaus dramatisches Ereignis: Eine plötzlich oder „über Nacht“ auftretende einseitige Gehörverschlechterung ohne erkennbare Ursache führt die Patientinnen und Patienten meist rasch zum Ohrenarzt. Von einer geringgradigen Gehörverschlechterung bis zur Ertaubung sind alle Schweregrade möglich. Die Betroffenen klagen meistens über ein dumpfes Gefühl im Ohr, häufig begleitet von einem Ohrgeräusch (Tinnitus). Oftmals bessert sich das Gehör im Verlauf von wenigen Stunden wieder, andernfalls sollte innerhalb von 24 bis 48 Stunden eine medikamentöse Therapie (Cortison) eingeleitet werden.
Ganz anders verhält es sich bei der langsam ab dem 50. Lebensjahr einsetzenden „Altersschwerhörigkeit“. Diese ist nicht nur dem Alter, sondern auch dem über Jahrzehnte hinweg einwirkenden Zivilisationslärm geschuldet. Da sie langsam voranschreitet, bleibt die Altersschwerhörigkeit (oder Presbyakusis) oft lange Zeit unentdeckt. Die Betroffenen gewöhnen sich daran und gehen häufig erst sehr spät zum Arzt bzw. zur Ärztin. Rechtzeitig entdeckt, lässt sich die Altersschwerhörigkeit mit modernen Hörgeräten sehr gut ausgleichen. Jenseits des 75. Lebensjahres kann die Hörgeräteversorgung allerdings schwierig werden, deshalb ist die rechtzeitige Aufdeckung einer Presbyakusis so wichtig. HNO-Fachärztinnen und -ärzte sowie alle Hörgeräte-Akustiker/innen machen jederzeit einen Hörtest, der zum ersten Mal ab dem 50. Lebensjahr durchgeführt werden sollte.
Die Otosklerose ist eine genetisch bedingte Erkrankung des Innenohrs mit überstürztem Umbau des Knochens im Innenohr und im Bereich der Fußplatte. Da der Steigbügel dabei mit seiner Fußplatte im ovalen Fenster zum Innenohr „eingemauert“ und damit fixiert wird, kommt es zum Auftreten sowohl einer Mittelohr- als auch einer Innenohr-Schwerhörigkeit. Die Fixierung des Steigbügels lässt sich mit einer Operation (Stapesplastik) gut beheben, eine eventuelle Innenohrschwerhörigkeit mit einem konventionellen oder mit einem teilimplantierbaren Hörgerät (Vibrant® Soundbridge®) ausgleichen.
Ein subjektives Ohrgeräusch ist eine ohne äußere Ursache auftretende Wahrnehmung von Tönen oder Geräuschen. Als „Sekunden-Tinnitus“ ist dies weit verbreitet und harmlos, aber ca. 3 % der Bevölkerung haben ein andauerndes Ohrgeräusch, das von störend oder belastend bis zu quälend alle Ausmaße annehmen kann. In schweren Fällen ist eine Akuttherapie mit Cortison indiziert, aber immer wird eine Abklärung aller möglichen Ursachen vorgenommen. Dabei wird auch ein MRT des Gehirns durchgeführt. Meistens bessern sich Ohrgeräusche mit dem Ausgleich der fast immer gleichzeitig vorliegenden Innenohrläsion durch eine gute Hörgeräte-Versorgung. (Näheres finden Sie auch unter: www.tinnituszentrum.at)
Für welche Menschen bzw. ab welchem Schwerhörigkeitsgrad macht ein Hörgerät Sinn?
Prinzipiell gilt: Sobald die Kommunikation bei Umgebungsgeräuschen beeinträchtigt ist, sollte eine Abklärung und gegebenenfalls eine Hörgeräte-Versorgung durchgeführt werden. Das Problem dabei ist, dass der Hörverlust im zunehmenden Lebensalter meist so langsam erfolgt, dass die Betroffenen sich daran gewöhnen und viel zu spät zum Arzt bzw. zur Ärztin gehen. Der Tonhörtest zeigt nur einen Teil des Problems auf. Um zu sehen, wie groß das Verständigungsproblem tatsächlich ist, muss ein Sprach-Hör-Test mit dem Nachsprechen von Wörtern bei Ruhe und im Störlärm durchgeführt werden.
Welche Arten von Hörgeräten gibt es?
Die Hörgeräte sitzen heute meist wieder hinter dem Ohr, sie sind aber sehr klein, und anstelle eines dicken Schallschlauches führt nur ein dünner Draht zum Mikrolautsprecher im Gehörgang. Die Geräte sind je nach Haarschnitt unauffällig bis völlig unsichtbar. Die winzigen, im Gehörgang praktisch verschwindenden „CIC-Geräte“ (Completely-in-canal) eignen sich nur für eine Minderheit der Betroffenen.
Gibt es Möglichkeiten, die Hörfähigkeit zu trainieren?
Prinzipiell ist es möglich, das Gehör – oder genauer gesagt: das Sprachverstehen – zu trainieren. Dieses „Hörtraining“ wird von Hörakustikerinnen und Hörakustikern vor allem im Zusammenhang mit einer Hörgeräte-Versorgung angeboten, da das Hörtraining auch das Verstehen mit einem Hörgerät verbessern kann.
Haben Sie einen persönlichen Tipp?
Ein Routine-Hörtest sollte ab dem 50. Lebensjahr genauso selbstverständlich sein wie ein Routine-Sehtest oder eine Augendruck-Messung. Denn schlechtes Sehen trennt von den Dingen, schlechtes Hören trennt von den Menschen!

Ein Gedanke zu „Das Leben wieder hören

  • um
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    Meine Mutter leidet an beginnender Schwerhörigkeit und hat sich lange vor dem Weg zum Hörgeräteakustiker gedrückt. Als wir uns zusammen euren Beitrag durchgelesen hatten, wurden ihr klar, wie sehr sie die Schwerhörigkeit in ihrem privaten Leben einschränkt, sodass es jetzt endlich los geht, ihr ein Hörgerät zu kaufen.

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