Dr. Medicus Historicus: Ruhr

Nachdem er im Jahr 2022 den großen Pandemien der Menschheitsgeschichte auf den Grund gegangen ist, wirft der hochgeschätzte Dr. Medicus Historicus dieses Jahr ein Auge auf die häufigsten Todesursachen vergangener Tage. Eine dieser Krankheiten, die auch heute noch manchmal auftaucht, ist die Ruhr.

Ruhr (die „Krankheit der schmutzigen Hände“)

Foto der Salzmine Wieliczka in Polen. Schwarz-weiß-Foto. Ruhr
Shigellen sind häufig für Reisedurchfälle verantwortlich. Zudem trifft es häufig Menschen, die unter schlechten hygienischen Zuständen arbeiten und leben.

Die Ruhr-Krankheit ist eine hochansteckende Durchfallerkrankung, die zum Tod führen kann. Heutzutage trifft man sie vor allem in den ärmeren Regionen der Welt an, früher war sie praktisch überall beheimatet.

Wir schreiben das Jahr 1899. Genauer gesagt ist es Dienstag, der 8. August, in einem sehr heißen August. Unter schwierigsten Bedingungen durch Hitze, Gestank und Lärm schlagen Arbeiter Gesteinsbrocken aus dem Inneren eines Steinbruchs in der heutigen Steiermark. Erschöpft kehren Karl, Josef, Franz, Viktor und Oskar abends nach einem 14-stündigen Arbeitstag zurück in die Baracke. Zusammengepfercht mit Dutzenden anderen Arbeitern machen sie es sich auf ihrer Pritsche so gemütlich, wie es unter diesen Umständen möglich ist. Plötzlich klagen viele Arbeiter über schlimmen Durchfall und Bauchkrämpfe. Die Kranken können allerdings nur behelfsmäßig von den Gesunden getrennt werden, denn die Plätze im Krankentrakt sind rar. So kommt es, wie es kommen muss: Zwei Tage nachdem die ersten Männer über Magenprobleme geklagt haben, ist bereits die halbe Mannschaft außer Gefecht. Viktor und Franz leiden an extremen Magenkrämpfen und Durchfall, Oskar verspürt Anzeichen einer aufkommenden Krankheit. Nur Karl und Josef sind noch auf den Beinen und arbeiten in den engen Schächten weiter. Die Krankheit, die den Bergarbeitern in diesem Sommer im Jahre 1899 zu schaffen macht, ist die Ruhr, besser bekannt unter dem Namen „Shigellose“. Namensgebend für den Erreger war sein Entdecker, der japanische Mikrobiologe Kiyoshi Shiga, der im Rahmen einer großen Shigellose-Epidemie den Erreger 1897 erstmalig aus dem Stuhl von Erkrankten isolierte.

Wie steckt man sich mit der Ruhr an?

Die Erreger werden mit dem Stuhl ausgeschieden und über direkten Kontakt (zum Beispiel Händeschütteln bei schlecht gewaschenen Händen nach dem Toilettengang) verbreitet. Auch über verunreinigtes Wasser und Nahrungsmittel sowie durch Fliegen können sich Menschen infizieren. Eine Infektion mit dem Bakterium (es gibt mehrere Shigellose-Bakterien) verursacht Durchfallerkrankungen aufgrund eines Giftes (Endotoxin), das von den Bakterien produziert wird.

Die Ruhr-Krankheit ist eine Darmerkrankung, die durch eine Ansteckung mit verschiedenen Bakterien der Gattung Shigella entsteht. Zu den häufigsten Bakterientypen, welche die Ruhr-Krankheit auslösen, zählen Shigella dysenteriae, Shigella flexneri, Shigella boydii und Shigella sonnei.

Weiße und rote Ruhr

Darstellung von Bakterien, die Ruhr verursachen. Magen-Darm-Infektion. Shigellose
Besonders für immungeschwächte Menschen und Kinder ist die Infektion immens gefährlich. Shigellen sind hochansteckend und verursachen bereits in geringen Mengen (< 100 Keime) Beschwerden.

Die Inkubationszeit der Ruhr liegt typischerweise bei ein bis vier Tagen. Die Symptome tauchen dabei meist sehr plötzlich auf und der Gesundheitszustand kann sich rapide verschlechtern. Zunächst treten wässrige Durchfälle („weiße Ruhr“) auf, je nach Erregertyp können weitere Symptome wie Krämpfe oder Fieber hinzukommen. In schweren Fällen sind die Durchfälle schleimig-eitrig oder blutig („rote Ruhr“). Der Flüssigkeits- und Salzverlust infolge der Durchfälle kann zu Austrocknung, Nierenversagen, Krämpfen, Kreislaufkollaps und schließlich zum Tod führen. Geschätzte 80 bis 160 Millionen Menschen erkranken pro Jahr an der Ruhr, meist in Gebieten mit mangelnder hygienischer Versorgung. Die Anzahl der Todesfälle liegt in etwa bei 600 000. In Österreich und Europa kommt es nur noch ganz selten zu Fällen von Ruhr. Wenn ja, dann ist die Infektion meistens zuvor im Ausland erfolgt.

Ruhr behandeln

Grundsätzlich sollte eine Infektion mit Shigellen aufgrund möglicher schwerer Verläufe antibiotisch behandelt werden. Wichtig: Betroffene sollten ausreichend viel trinken, gegebenenfalls auch vorgefertigte Elektrolytlösungen. In schweren Fällen ist ein Krankenhausaufenthalt unumgänglich. Der beste Schutz vor einer Infektion ist eine effektive Hände­hygiene – also regelmäßiges gründliches Waschen der Hände mit Seife und Desinfektion. Dies gilt insbesondere vor dem Zubereiten von Speisen und nach dem Toilettengang. Da im Jahre 1899 sowohl die Hygienebedingungen als auch die medizinische Versorgung schlecht waren, verstarben leider zwei unserer fünf Protagonisten, Oskar und Franz, an den Folgen der Ruhr.

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