Dr. Medicus Historicus: Pest

Die Coronapandemie ist für die meisten Menschen die erste Pandemie, die sie selbst ­hautnah miterleben, doch es ist nicht die erste der Weltgeschichte. Pandemien und weit verbreitete Krankheiten, an denen Millionen von Menschen erkrankten und auch sehr viele verstarben, tauchten in den letzten Jahrhunderten regelmäßig auf. Durch den medizinischen Fortschritt wie Impfungen, die Entwicklung von Antibiotika und vieles mehr konnte den meisten dieser Erkrankungen der Schrecken genommen werden. Einige sind komplett von der Bildfläche verschwunden, andere kommen nur noch in weit geringerem Ausmaß vor und lassen sich heutzutage gut behandeln. Im Jahr 2022 möchten wir Ihnen in jeder Ausgabe eine Erkrankung vorstellen, die in den letzten Jahrhunderten zahlreiche Menschenleben forderte und die Medizinerinnen und Mediziner vor gewaltige Herausforderungen stellte. Unser fiktiver Mediziner Dr. Medicus Historicus nimmt Sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit und beleuchtet wichtige Ereignisse der Medizingeschichte.

Die Pest (der Schwarze Tod)

Briefmarke von Alexandre Emile Jean Yersin. Die Pest
Alexandre Émile Jean Yersin entdeckte den Erreger der Pest.

Die Pest eroberte im 14. Jahrhundert ganz Europa im Sturm. Wie durch Teufelshand geleitet, bekamen die Menschen plötzliches Fieber und Geschwüre am ganzen Körper, um kurz darauf zu sterben.
Wir schreiben das Jahr 1347. Schrecken und Furcht machen sich auf dem gesamten Kontinent breit. Eine mysteriöse Krankheit, die heute häufig als „Schwarzer Tod“ tituliert wird, zieht wie ein gefräßiges Raubtier über die Länder. In Windeseile breitet sich die Pest über die Handelswege in Europa aus und haucht das Leben von bis zu einem Drittel der damaligen Bevölkerung aus. Umgerechnet auf die heutige Bevölkerung Europas wären dies beinahe 200 Millionen Pandemietote innerhalb weniger Jahre.

Die Suche nach den Schuldigen

Da der Auslöser dieser Seuche lange Zeit im Verborgenen blieb, rankten sich zahlreiche Mythen um die Ursache der Pandemie. Geistliche, Mediziner, Astronomen – sie alle konnten sich keinen Reim darauf machen, warum sich diese mysteriöse Krankheit dermaßen rasch und erbarmungslos ausbreitete. Manche vermuteten, dass eine ungünstige Konstellation der Planeten dafür verantwortlich war, andere glaubten zu wissen, dass die Juden das Trinkwasser vergifteten. Wiederum andere waren davon überzeugt, dass die Pest schlicht und einfach die Strafe Gottes für die sündhafte Lebensweise mancher Zeitgenossinnen und Zeitgenossen war. Der wahre „Schuldige“, nämlich ein Bakterium, blieb damals unentdeckt.

Die Opfer der Pest starben hilflos auf den Straßen. Die Chancen auf Heilung waren damals gering.

Die Flucht beschleunigte die Pandemie

Als die Pest eine Stadt nach der anderen heimsuchte, flüchteten die Menschen aus den Städten. Die Hoffnung war groß, auf diese Weise den Klauen des Schwarzen Todes zu entrinnen. Was sie allerdings nicht ahnten, war der Umstand, dass die Pest in Gestalt von Läusen und Flöhen, die von Ratten auf die Menschen übersprangen, bereits ihr Reisebegleiter war. Anstatt einer erfolgreichen Flucht wurde somit die Verbreitung der Pest wohl sogar noch beschleunigt.

Die Quarantäne wurde geboren

Darstellung eines Pestdoktors mit Pestmaske. Schutz vor Pest. Die Pest
Pestdoktoren trugen zum Schutz vor einer Ansteckung die bekannte „Pestmaske“.

Natürlich versuchten die Menschen alles, um der Seuche Herr zu werden, doch die medizinischen Möglichkeiten zu jener Zeit waren sehr beschränkt. So wurde zum Beispiel mittels Aderlass versucht, der Krankheit Einhalt zu gebieten. Selbst Einläufe und pflanzliche Mittel wurden als probate Mittel angesehen, um die Pest zu bändigen; der Erfolg dieser Maßnahmen hielt sich allerdings in Grenzen. Auch Pestdoktoren, die zu den bekannten Schnabelmasken griffen, in denen sie Kräuter verbrannten, um sich vor dem Pesthauch („Miasma“) zu schützen, kamen gegen die Pandemie nicht an. Nachdem die Behandlungsversuche in vielen Fällen gescheitert waren, griff man zu radikalen Maßnahmen: Man trennte die Kranken von den Gesunden, indem man die Häuser der Pestkranken markierte und teilweise sogar zumauerte; in anderen Fällen wurden für die Betroffenen Zwangsunterkünfte geschaffen. Zudem kam es zu Quarantäneregelungen: Hafenstädte erließen Gesetze, die Schiffe, welche aus einem „Pestgebiet“ gekommen waren, das Anlegen direkt im Hafen verboten. Die Schiffbesatzungen wurden gezwungen, an einer nahe gelegenen Insel eine gewisse Zeit ohne jeden Kontakt zur Stadtbevölkerung zu verweilen. Venedig legte diesen Zeitraum auf 40 Tage (ital. quaranta = vierzig) fest, wovon sich der Begriff der „Quarantäne“ ableitet.

So wurde die Pest besiegt

Pestsäule in Wien. Die Pest
Sogenannte „Pestsäulen“ erinnern an die Pandemien der Vergangenheit und sind ein Zufluchtsort der Hilfesuchenden.

Durch verbesserte hygienische Bedingungen und infolge des medizinischen Fortschritts konnte die Pest in den folgenden Jahren eingedämmt werden. Es sollte allerdings noch viele Jahrhunderte dauern, bis die Ursache der Pandemie geklärt wurde. Erst im Jahr 1894 entdeckte der Schweizer Arzt Alexandre Émile Jean Yersin den Erreger der Seuche. Heute weiß man, dass es sich bei der Pest um eine bakterielle Infektionskrankheit handelt. Zwar gibt es sie immer noch – im Jahr 2017 kam es in Madagaskar zu einem größeren Ausbruch –, allerdings kann die Pest heutzutage durch verschiedene Antibiotika meist rasch eingebremst werden.

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