Der Räuberhauptmann Wagnerloisl

Sagen aus Österreich: Teil 1 Oberösterreich – Unsere heutige Sage spielt in der Nähe der bezaubernden Gemeinde Kefermarkt. 

Illustration einen historischen Räubers. Der Räuberhauptmann Wagnerloisl Der Wagnerloisl war ein Räuberhauptmann, jung, stark, frech und immer dazu aufgelegt, einem Gutsherrn, der seine Untertanen plagte oder sonst einem der armen Leute Schlimmes antat, einen Streich zu spielen.

Einmal klopfte er in der Gegend von Kefermarkt am Haus eines Bauern und bat um ein Nachtlager. Die meis­ten Bauern kannten ihn und versteckten ihn, wenn Häscher ihm auf den Fersen waren.
„Komm nur herein, Lois“, sagte die Bäuerin. „Mein Mann ist grad heimgekommen, ganz unglücklich, weil er sich nirgends den Pachtschilling hat ausleihen können. Er hat sich vor Kummer schon schlafen gelegt. Denn wenn wir das Geld dem Herrn nicht in drei Tagen brin­gen, wirft er unsere ganze Familie in den Schuldturm.“

„Lass ihn schön grüßen, deinen Mann“, sagte der Wagnerloisl und aß das Nachtessen, das die Bäuerin ihm hinstellte. „Wie viel macht er denn aus, der Pachtschilling?“ Die Bäuerin nannte die Summe und sagte: „Ich glaub, ich werd jetzt packen für den Schuldturm.“

„Wart noch damit“, sagte der Wagnerloisl. Er griff in seinen Gurt, zog den Geldbeutel heraus und sagte: „Ein bissel was hab ich immer bei mir für solche Notfälle.“ Dann legte er der Bäuerin das Geld, das sie brauchte, auf den Tisch. „So“, sagte er, „das bringst du gleich morgen Früh dem Herrn. Und wenn er fragt, woher du auf einmal so viel Geld hast, dann sag ihm, der Wagner­loisl hat’s dir gegeben. Und wenn er fragt, wo du glaubst, dass ich bin, dann sag ihm, ich bin im Brandstätterholz. Ich glaub, du brauchst mir doch heut kein Bett richten, Bäuerin, ich geh lieber gleich!“ Und dann ging er.

Die Bäuerin brachte in aller Früh dem Herrn den Pachtschilling auf die Burg und sagte ihm auch, woher sie das Geld hatte.
„Von dem Räuberhäuptling?“, murrte der Herr grimmig. „Na warte! Hat er dir vielleicht
gesagt, wo er sich aufhält?“
„Beim Brandstätterholz, hat er gesagt“,
antwortete die Bäuerin.
Daheim erzählte sie dann alles ihrem Mann. „Ja“, sagte der, „auf den Wagnerloisl ist Verlass. Jetzt müssen wir uns halt fretten und sehen, wie wir durch­kommen. Wenn man dem Herrn alles geben muss, was man hat, kann man selber kaum leben.“

Inzwischen hatte der erzürnte Burgherr alle seine Knechte zusammengerufen und sie ins Brandstätterholz geschickt, um den Räuberlois zu fangen. Er selber wollte auch mit und hatte es so eilig, dass er sich nicht die Zeit nahm, das Pachtgeld, das die Bäuerin ihm gebracht hatte, in den Geldkasten zu tun und wegzusperren.

Als der Herr und seine Leute das Brandstätterholz durchstreiften, schlich sich der Räuberhauptmann in die Burg, steckte das Geld ein und brachte es der Bäuerin zurück. Dann verschwand er in die tieferen Wälder.


Dies ist eine Sage aus dem Buch „Sagen aus Oberösterreich“:
Friedl Hofbauer; 88 Seiten; G & G Verlag, ISBN: 978-3-7074-2269-6

Cover des Buches Sagen aus Oberösterreich von Friedl Hofbauer


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