Dr. Medicus Historicus: Syphilis

Nachdem er im Jahr 2022 den großen Pandemien der Menschheitsgeschichte auf den Grund gegangen ist, wirft der hochgeschätzte Dr. Medicus Historicus dieses Jahr ein Auge auf die häufigsten Todesursachen vergangener Tage. Dieses Mal behandeln wir die Syphilis.

Syphilis (Die „Franzosen-Krankheit“)

Bakterium Treponema pallidum subsp. pallidum. IllustrationDie durch das Bakterium Treponema pallidum subsp. pallidum verursachte Infektion wird vor allem durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, aber auch durch Bluttransfusionen oder von der Mutter auf das ungeborene Kind übertragen. Für die rasche Ausbreitung der Krankheit im Mittelalter gibt es verschiedene Theorien: Oft werden Christoph Kolumbus oder die Französischen Kriege für ihre Verbreitung verantwortlich gemacht.

Wir schreiben das Jahr 1436. Im heutigen Estland, genauer gesagt in einem kleinen Vorort von Tallinn, spielen sich herzzerreißende Szenen ab. Das Familienoberhaupt Arto liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Pritsche und sieht den Sensenmann vor seinem geistigen Auge. Seine Frau Leena, die im achten Monat schwanger ist, wischt Arto den Schweiß von der Stirn und spricht ihrem Mann Mut zu. Doch ob die ungeborenen Zwillinge im Bauch der Mutter ihren Vater kennenlernen werden, steht in den Sternen. Denn Arto leidet an Syphilis.

Die Krankheit Syphilis, auch Lues oder Schanker genannt, wird durch das Bakterium Treponema pallidum über die Körperflüssigkeiten übertragen. Der Erreger kann in den Geschwüren und im Blut nachgewiesen werden. Die Behandlung erfolgt üblicherweise mit dem Antibiotikum Penizillin.

Die Entstehung der Syphilis

Lange Zeit glaubte man, die Syphilis sei ein unerwünschtes Mitbringsel von Christoph Kolumbus und seinen Gefolgsleuten gewesen. Es ist zwar durchaus denkbar, dass die Lustseuche auf Kolumbus’ Schiffen ihr Unwesen trieb, doch die Erreger der Syphilis gab es in Europa bereits, noch bevor die spanischen Seefahrer die hochansteckende Krankheit aus der Neuen Welt einschleppten. Aktuelle DNA-Proben zeigen, dass es unter anderem in Estland bereits Anfang des 15. Jahrhunderts Fälle von Syphilis gab. Möglicherweise war unser Protagonist Arto einer der Ersten auf dem europäischen Kontinent. Fest steht, dass sich die Krankheit im 15. und 16. Jahrhundert in Windeseile über ganz Europa ausbreitete. Da die Geschlechtskrankheit anfangs meist ohne Symptome verläuft, hatte das Bakterium schließlich viel Zeit, sich in den Freudenhäusern und darüber hinaus rasant auszubreiten.

Der Krankheitsverlauf

Gemälde einer mittelalterlichen Orgie. Syphilis
Hat man sich – in der Mehrzahl der Fälle durch ungeschützten Geschlechtsverkehr – mit Syphilis angesteckt, bilden sich zunächst meist an den Genitalien Hautgeschwüre. Darauf folgen Hautausschläge am gesamten Körper.

Kommt man durch den Austausch von Körperflüssigkeiten mit dem Bakterium Treponema pallidum in Kontakt, bilden sich nach einiger Zeit an der Eintrittsstelle schmerzlose, verhärtete Geschwüre. Außerdem können die umliegenden Lymphknoten anschwellen. Nach einigen Wochen folgt ein deutlich sichtbarer Hautausschlag. In der Regel verschwinden die Symptome jedoch wieder. Viele halten sich deshalb für geheilt – doch die Krankheit schlummert weiterhin im Körper. Wird die Syphilis nicht behandelt, kommt es häufig nach Monaten bis Jahren zu einem zweiten und dritten Stadium der Erkrankung. Die Folgen werden immer schwerwiegender und können zu gravierenden Organerkrankungen vor allem der Haut und der Leber, der Knochen und des Nervensystems bis hin zum Tod führen.

Guajakholz als Heilmittel?

Illustration von Guajakholz, Botanik, Pflanzen. SyphilsIm Mittelalter gab es keine ernsthafte Hilfe für die Betroffenen. Wenn man nicht zu den Glücklichen gehörte, bei denen die Syphilis von selbst ausheilte (etwa jeder Zweite bis Dritte), endete die Krankheit häufig mit dem Tod. Ein Versuch, die Krankheit zu besiegen, war die Verwendung von Guajakholz. Der Überlieferung nach wurde das Guajakholz (Pockholz) im 16. Jahrhundert vom Schatzmeister Gonzales der Provinz Hispania nach Europa gebracht. Gonzales behauptete, durch das Guajakholz von einer unheilbaren Syphilis geheilt worden zu sein. Heute weiß man, dass das Holz kein wirksames Mittel gegen Syphilis ist, aber Gonzales und auch andere Importeure wie bspw. die Fugger aus Augsburg verdienten damit viel Geld.

Syphilis in der Gegenwart

Im Jahr 2023 ist Syphilis eine weltweit verbreitete Geschlechtskrankheit, an der sich jährlich Millionen Menschen neu infizieren. Auch in Europa kam es in den letzten Jahren immer wieder zu größeren Ausbrüchen. Mittlerweile gibt es jedoch gute Behandlungsmöglichkeiten. Bekämpft wird Syphilis mit Antibiotika. Die Medikamente werden häufig in einen Muskel injiziert oder bei schweren Verläufen als Infusion in eine Vene verabreicht. Wird die Krankheit in den ersten beiden Stadien behandelt, dauert die Therapie im Idealfall nur wenige Wochen und der Patient ist vollständig geheilt. In den ärmeren Ländern der Welt sterben nach wie vor jedes Jahr Tausende Menschen an Syphilis. Für Arto kam die Erfindung des Penizillins um Jahrhunderte zu spät. So mussten die Zwillinge Veli und Suvi das harte baltische Leben ohne Vater meistern. Mehr Glück hatte ihre Mutter Leena – sie blieb von der Syphilis verschont und kümmerte sich rührend um die Kleinen.

Die Ärzte schwärmten geradezu von dem neuen Heilmittel Guajakholz gegen die Syphilis, und eine Flut von Fachliteratur pries die neue Wunderdroge. Der Bedarf stieg und mit dem Import von Guajakholz wurde viel Geld verdient.

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