Borderline
„Ich hasse dich – bitte verlass‘ mich nicht“ Jugendliche mit Tendenzen zur emotional instabilen Persönlichkeitsstörung
Man hört viele Geschichten über Menschen mit Borderline. Schnell denkt man an Selbstverletzung, unerwartete Gefühlsausbrüchen und unkontrollierbare Stimmungsschwankungen. Viele wissen gar nicht genau, was das alles überhaupt bedeutet, und dennoch haben wir alle fast immer diese Bilder im Kopf.
Unterscheidung in „impulsiver Typ“ und „Borderline Typ“
Dabei ist das Krankheitsbild Borderline-Störung wesentlich komplizierter und vielseitiger als viele annehmen. So wie wir uns alle durch Eigenheiten und Feinheiten unterscheiden, sind auch Betroffene der „emotional instabilen Persönlichkeitsstörung“ nicht alle gleich und unterscheiden sich in vielen Dingen. Ganz allgemein unterscheidet man bei der „emotional instabilen Persönlichkeitsstörung“ den „impulsiven Typ“ und den „Borderline Typ“. Der „impulsive Typ“ äußert sich beispielsweise in der Tendenz, Handlungen ohne Erwartung oder Berücksichtigung jeglicher Folgen zu tätigen oder auch durch eine unbeständige und launische Stimmung. Er tendiert auch dazu, Streitigkeiten mit anderen herauszufordern, oder zu Wut oder Gewaltausbrüchen. Einige dieser Tendenzen weist auch der Typ „Borderline“ auf. Zusätzlich fühlt er eine anhaltende, innere Leere und leidet unter einer Störung im Selbstbild. Der „Borderline Typ“ neigt dazu, sich auf intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen, was oft mit emotionalen Krisen verbunden ist. Betroffene fühlen sich nie wirklich irgendwo oder irgendjemand zugehörig, möchten aber dennoch nicht alleine sein oder verlassen werden.
Ritzen oder Selbstverletzungen sind kein allgemeines Symptom dieser Störung, sondern treten individuell auf
Jugendliche und die Diagnose „Borderline“
Grundsätzlich sei gesagt, dass bei einem Kind oder einem Jugendlichen keine Diagnose der „emotional instabilen Persönlichkeitsstörung“ getätigt werden kann. Eine Diagnose erfolgt zumeist ab Anfang 20. Kinder oder Jugendliche zeigen Tendenzen zu „Borderline“ oder dem „impulsiven Typ“. Nur weil sich jemand in Form von Ritzen oder Schneiden selbst verletzt, ist er nicht gleich ein „Borderliner“. So wie bei jeder Persönlichkeitsstörung findet sich auch bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung der Ursprung in der Kindheit und zieht sich dann durch den weiteren Lebenslauf durch. Ein Mensch, der also „erst seit letzter Zeit“ Probleme in Beziehungen mit anderen Menschen hat, ist demnach wenig wahrscheinlich von einer Persönlichkeitsstörung betroffen. Zeigt ein Jugendlicher Tendenzen, wie impulsive Gefühlsausbrüche, starke Gefühlsschwankungen, Selbsverletzungen oder auch Todessehnsucht, so spricht man nicht gleich von „Borderline“ bzw. einer „emotional instabilen Persönlichkeitsstörung“, sondern beobachtet vielmehr den weiteren Verlauf.
„Mein Kind hat Borderline“
Wenn ein Elternteil oder ein Freund merkt, dass sich jemand selbst verletzt oder auffällige Gefühlsausbrüche hat, gilt es erstmal durchzuatmen. Es ist schwierig, hier eine allgemeine Hilfestellung zu geben, weil bei dem Betroffenen einer Persönlichkeitsstörung und seinem Umfeld viel von den Beziehungen abhängig ist. Solltest du merken, dass deine Freundin oder dein Freund sich selbst verletzt, solltest du versuchen ruhig zu bleiben und ruhig mit ihm zu sprechen. Die Situation mag für dich aufreibend sein, aber es hilft deinem Freund oder deiner Freundin nicht, wenn du ihn anschreist oder mit ihm nichts mehr zu tun haben willst. Halte dir vor Augen, dass in ihm viel Unruhe vorgeht und eine ruhige Atmosphäre für ihn wohl am angenehmsten ist. Das gleiche gilt für Elternteile: Sie lieben Ihr Kind und möchten nur das Beste für hre Tochter oder ihren Sohn. Zu sehen, wie sie oder er sich selbst Schaden zufügt, Gefühlsausbrüche hat oder riskante Handlungen vornimmt, ist schwierig, aber am meisten geholfen ist ihrem Kind immer noch mit einer ruhigen Hand, die Grenzen zeigt und liebevoll zu ihm steht. Dennoch sei geraten, das Ganze nicht zu unterschätzen. Professionelle Hilfe ist wichtig und hilft dem Betroffenen und auch Dir!
Wir von APOVITAL bedanken uns recht herzlich bei Frau Mag. Reitter für das tolle Gespräch, die Informationen und Hilfestellungen bei der Recherche zu diesem sehr sensiblen Thema.
Mag. Saskia Reitter
Klinische Psychologin in Wien
und Wiener Neustadt
Seit 2017 ist Frau Reitter selbstständig auf dem Gebiet der Klinischen Psychologie tätig. Sie hilft in persönlichen Krisensituationen, bei Traumata, Ängsten, depressiven Episoden sowie emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen und berät in psychoonkologischen Fällen, Erziehungsfragen und bei Sucht.