Dr. Medicus Historicus: Milzbrand

Nachdem er im Jahr 2022 den großen Pandemien der Menschheitsgeschichte auf den Grund gegangen ist, wirft der hochgeschätzte Dr. Medicus Historicus dieses Jahr ein Auge auf die häufigsten Todesursachen vergangener Tage. Eine dieser Krankheiten, die auch heute noch manchmal auftaucht, ist der Milzbrand.

Milzbrand

Gerber bei der Arbeit in Morokko
In Gerbereien erkrankten über viele Jahrhunderte hinweg immer wieder Menschen an einer mysteriösen Krankheit, deren Auslöser erst im 19. Jahrhundert in Schafsblut nachgewiesen werden konnte. Milzbrandsporen überstehen die Lederkonservierung und den Gerbprozess.

Briefe mit einem Milzbranderreger als Inhalt zogen in den vergangenen Jahren immer wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Dutzende Menschen starben aufgrund von perfiden Anschlägen mit dem weißen Pulver. Doch diese waren beileibe nicht die ersten Todes­opfer: Bereits vor Jahrhunderten war der Milzbrand­erreger brandgefährlich und kostete viele Menschen­leben. Damals lauerte die tödliche Gefahr allerdings nicht in Briefumschlägen, sondern in Gerbereien …

Wir schreiben das Jahr 1517. Der bekannte Gerber Grimal, gefürchtet für seinen rücksichtslosen Umgang mit seinen Gesellen, leidet an grippeähnlichen Symptomen und zieht sich ins Schlafgemach zurück. Als am darauffolgenden Tag die Gesellen Jean-Baptiste und Nouel gemeinsam mit der Magd Amelie nach dem Befinden des tyrannischen Mannes sehen wollen, ist dieser bereits tot – dahingerafft von einem Milzbranderreger. Wenig später erkranken die Gesellen und die Magd, und auch für sie gibt es keine Rettung.
Milzbrandsporen auf Tierhäuten waren zur damaligen Zeit für zahlreiche Todesfälle verantwortlich. Einmal damit infiziert, waren die Chancen auf eine Heilung nur sehr gering. Milzbrand ist eine akute Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Bacillus anthracis verursacht wird. In erster Linie werden Tiere davon befallen, doch immer wieder trifft es auch Menschen, die mit Tierfellen und Häuten in Kontakt kommen.

Die Sporen sind sehr widerstandsfähig

Totes Bison liegt auf der Weide. Milzbrand
Im Juli 2001 verendeten in Kanada Dutzende Bisons an den Folgen des Erregers. Zur gleichen Zeit traten in Südkorea im Landkreis Changyong in der Provinz Südkyongsang fünf Milzbrandfälle unter Menschen auf, eine Person verstarb. Sie alle hatten Fleisch von einem Rind verzehrt, das in einem Sumpfgebiet tot aufgefunden worden war.

Bei warmen Temperaturen geht Bacillus anthracis bereits nach wenigen Tagen zugrunde, bei kühlen Temperaturen kann das Bakterium circa 2 Wochen infektiös bleiben. Die Sporen des Milzbranderregers sind allerdings unglaublich widerstandsfähig: In feuchten Böden (z. B. in Sumpfgebieten) und in Tierkadavern bleiben die Sporen jahrelang, manchmal sogar jahrzehntelang aktiv. Daher kommt es nach Überschwemmungen, die häufig Tierkadaver zum Vorschein bringen, immer wieder zu Fällen von Milzbrandleiden.

Formen des Milzbrand

Bei Milzbranderkrankungen wird u. a. zwischen Hautmilzbrand, Lungenmilzbrand und Darmmilzbrand unterschieden. Der Hautmilzbrand wird durch direkten Hautkontakt übertragen. Kommt es zu einer Infektion, bildet sich an der Stelle der Übertragung ein eitergefülltes Bläschen. Ohne Behandlung droht eine Blutvergiftung. Beim Lungenmilzbrand werden Milzbrandsporen, die meist an Tierhäuten oder Tierhaaren haften, inhaliert. Die Krankheit beginnt mit grippeähnlichen Symptomen wie Husten und hohem Fieber, später drohen Atemnot und der Tod. Der Darmmilzbrand wird durch den Genuss von infizierten Milchprodukten oder infiziertem Fleisch übertragen. Blutiges Erbrechen und blutiger Durchfall sind typische Symptome, in weiterer Folge droht ein Herz- und Nierenversagen. Alle Arten einer Milzbranderkrankung sind im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich. Die größten Überlebenschancen hat man noch im Falle eines Hautmilzbrandes.

Der Milzbranderreger Bacillus anthracis gehört zur Gattung Bacillus (sporenbildende, aerobe Stäbchenbakterien) innerhalb der Familie der Bacillaceae. Er ist ein etwa 5–6 µm (1 µm = 0,001 mm) langes, gram-positives, unbewegliches, sporenbildendes Stäbchen.

Milzbrand erkennen und behandeln

Biohazard. Biogefährdung. Mann in gelbem Schutzanzug und mit Maske. Milzbrand
Als Krankheit ist der Milzbrand schon seit dem Altertum bekannt. Sowohl in der Bibel als auch bei den antiken Griechen und Römern wurde darüber berichtet. Auch heute kommt es immer wieder zu Fällen von Milzbrand.

Bei Verdacht auf eine Milzbranderkrankung wird der Speichel und/oder das Blut der betroffenen Person genauestens untersucht. Die Behandlung von Milzbrand geschieht hauptsächlich durch eine Kombination mehrerer Antibiotikapräparate. Viele Krankheitsverläufe enden trotz rascher Behandlung tödlich. Zur Prophylaxe wurde in den USA ein Human Anthrax Vaccine entwickelt, bei dem es sich um einen Impfstoff mit abgetöteten Erregern handelt. Allerdings ist diese Vakzine nicht unumstritten und wird vor allem für Personen empfohlen, die sich regelmäßig einem großen Infektionsrisiko aussetzen müssen. Heutzutage sind Milzbranderkrankungen selten geworden. In Österreich traten seit 1950 insgesamt 87 Milzbrandfälle beim Menschen auf; der letzte Fall wurde im Jahr 1986 gemeldet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: