Teil 5: Virologin Frau Dr. Affenberg
Virologin Frau Dr. Affenberg. Die Rolle der Tiere in der Medizingeschichte: „Mich laust der Affe!“ Diesen Ausdruck verwendet man, wenn man besonders erstaunt ist und das Gesehene und/oder Gehörte nur schwer glauben kann. Kaum zu glauben ist auch die Rolle der Affen in der Geschichte der Medizin. Aufgrund ihrer großen genetischen Ähnlichkeit mit dem Menschen waren Affen an vielen bahnbrechenden Erfolgen der Medizingeschichte beteiligt.
Affen sind genetisch sehr eng mit dem Menschen verwandt. Schimpansen beispielsweise teilen etwa 98,7 Prozent ihres Erbguts mit uns. Diese enorme genetische Ähnlichkeit macht die Affen zu äußerst relevanten Modellen für die medizinische Forschung. Nicht nur genetisch, sondern auch anatomisch und physiologisch sind sie dem Menschen sehr ähnlich. Dies gilt insbesondere für ihr Nervensystem, ihr Immunsystem sowie ihre Reaktion auf Krankheiten und Medikamente. Diese Gemeinsamkeiten ermöglichen es den Forschenden, Erkenntnisse aus der Affenforschung auf den Menschen zu übertragen. Nun folgen drei Beispiele für die affenstarke Hilfe unserer Verwandten.
Affen vs. Kinderlähmung
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Entwicklung des Impfstoffes gegen Polio (Kinderlähmung) in den 1950er-Jahren. Der amerikanische Wissenschaftler Jonas Salk entwickelte 1955 mithilfe von Rhesusaffen den ersten wirksamen Impfstoff gegen diese verheerende Krankheit. Er isolierte das Virus zunächst aus Affenzellen und konnte in anschließenden Versuchen nachweisen, dass der Impfstoff sicher und wirksam war. Durch diese bahnbrechende Entdeckung konnten weltweit Millionen von Menschen vor einer Krankheit geschützt werden, die bis dahin zu schwersten Lähmungen und sogar zum Tod führen konnte.
Affen vs. HIV
Auch in der HIV- und AIDS-Forschung haben Affen eine entscheidende Rolle gespielt. Seit den 1980er-Jahren, als das HI-Virus erstmals beim Menschen diagnostiziert wurde, waren Studien an Makaken und Schimpansen entscheidend, um das Verhalten des Virus und dessen Interaktion mit dem Immunsystem besser zu verstehen. Vor allem Makaken, die ein ähnliches Virus (SIV – Simian Immunodeficiency Virus) in sich tragen, halfen den Forscherteams, neue Therapieansätze und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Auch heute noch sind diese Primaten für die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen HIV unverzichtbar, da die komplexen Wechselwirkungen im lebenden Organismus mit anderen Methoden nur schwer vollständig simuliert werden können.
Affen in der neurologischen Forschung
In der neurologischen Forschung haben Affen ebenfalls bedeutende Beiträge geleistet. Bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts ermöglichen Studien an Makaken wesentliche Erkenntnisse über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Insbesondere seit den 1960er-Jahren hat die Grundlagenforschung an Primaten entscheidend zur Entwicklung neuer Therapien für neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder Epilepsie beigetragen. Durch die Experimente konnten die Forscher verstehen, wie neurologische Krankheiten entstehen und wie man sie möglicherweise behandeln oder ihre Symptome zumindest lindern kann. Bis heute sind Affen unverzichtbar, wenn es darum geht, komplexe neurologische Mechanismen und potenzielle Therapieansätze zu erforschen. Trotz ihres unschätzbaren Beitrags zur medizinischen Forschung ist die Verwendung von Affen ethisch höchst umstritten. Inzwischen wird versucht, den Affen als „Versuchsobjekt“ unter anderem durch Zellkulturen, „In silico“-Forschung und 3D-Gewebemodelle zu ersetzen. Fest steht jedoch: Ohne die Forschung an Affen wären viele Fortschritte der modernen Medizin in der Vergangenheit nicht möglich gewesen – und werden es auch in naher Zukunft nicht sein. Unser Dank gilt diesen faszinierenden Geschöpfen.
In der Hoffnung, dass bald kein Affe mehr für medizinische Zwecke leiden muss, verabschieden wir uns von Frau Dr.in Affenberg mit einem lauten Brüllen!
Steckbrief: Rhesusaffe
- Wissenschaftlicher Name: Macaca mulatta
- Heimat: Süd- und Südostasien (Indien, Pakistan, China, Bangladesch, Nepal)
- Lebensraum: vielfältig; tropische Regenwälder, Graslandschaften, Stadtgebiete
- Größe: ca. 40 – 60 cm (ohne Schwanz)
- Gewicht: ca. 4 – 14 kg
- Lebenserwartung: in freier Wildbahn bis zu 25 Jahre, in Gefangenschaft über 30 Jahre
- Nahrung: Allesfresser (Früchte, Samen, Blätter, Insekten, Kleintiere)
- Besonderheiten: Enge genetische Verwandtschaft mit dem Menschen (93 % genetische Übereinstimmung). Nach ihm wurde der „Rhesusfaktor“ (Blutgruppenmerkmal) benannt, der zuerst bei Rhesusaffen entdeckt wurde.
Affen waren für die Entwicklung der Polioimpfung von zentraler Bedeutung.