Teil 1: Dipl. Krankenpfleger Julius Blutegel

Dipl. Krankenpfleger Julius Blutegel: Tiere, die die Medizingeschichte präg(t)en. Die Therapie mit Blutegeln hat eine jahrtausendealte Tradition. Schon die Babylonier, die alten Ägypter und auch die Römer setzten auf diese tierischen Therapeuten. Im 18. Jahrhundert war die Nachfrage nach Blutegeln so groß, dass sie fast ausgestorben wären. Auch heute noch werden Blutegel in speziellen Fällen eingesetzt.

Sie werden bis zu 15 Zentimeter lang, 2 Zentimeter breit, bis zu 30 Jahre alt und können monatelang ohne Nahrung auskommen – die Rede ist von den Medizinischen Blutegeln (Hirudo medicinalis). Wie die meisten Egelarten halten sie sich vorwiegend im Süßwasser auf, können aber auch einige Zeit an Land überleben. Nachdem sie sich an einem Menschen oder an einem anderen Tier festgesaugt haben, nehmen sie bis zum 5-Fachen ihres eigenen Körpergewichts auf, bis sie sich erschöpft und vollgesogen lösen. Nach dem Abfallen beginnt die Nachblutungsphase, die bis zu 12 Stunden dauern kann. Sie dient der natürlichen Reinigung der Wunde und sollte nicht unterbrochen werden.

Das Geschäft mit den Blutegeln

Medizinische Blutegel werden in speziellen Zuchtfarmen herangezüchtet. In der Regel wird ein Blutegel wegen Infektionsgefahr kein zweites Mal zur Therapie eingesetzt. Ob dies bereits im 19. Jahrhundert ebenso streng gehandhabt wurde, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Belegt ist hingegen, dass Blutegel in dieser Zeit dermaßen begehrt waren, dass sie beinahe ausgerottet wurden und von weither importiert werden mussten (Ägypten, Syrien, Türkei, Russland und Zen­tralasien). In Frankreich stieg der Import von Blutegeln zwischen 1827 und 1850 von 33,6 Millionen auf über 100 Millionen (!) pro Jahr an. Aber nicht nur die Franzosen griffen auf dieses medizinische Hilfsmittel zurück. Fast überall auf der Welt gab es einen regelrechten „Blutegel-Hype“, vergleichbar mit dem Tulpenfieber in Holland im 17. Jahrhundert. Blutegel wurden zum wichtigsten medizinischen Handelsgut und der Blutegelfang zu einem lukrativen Geschäft. Noch heute gibt es in Europa einige Blutegelfarmen, die jährlich mehrere Millionen Tiere für den medizinischen Bereich liefern.

Der Speichel enthält die „Medizin“

Vielfach herrscht der Irrglaube vor, dass die positive Wirkung der Blutegel ausschließlich im Blutsaugen (ähnlich dem Aderlass) und damit in der entgiftenden Wirkung liegt. Während in früheren Zeiten tatsächlich vor allem die blutsaugende Wirkung geschätzt wurde, hat die Medizin in den vergangenen Jahrhunderten weitere positive Eigenschaften der Blutegel erkannt. Dazu gehört ihre Sensibilität für Temperaturunterschiede. Entzündete, schmerzende Stellen haben in der Regel eine höhere Temperatur. Medizinische Blutegel sind in der Lage, diese Stellen aufzuspüren, und haften sich dort fest. Sie saugen Blut und Lymphe und geben gleichzeitig Speichel ab, der voller biologisch aktiver Substanzen ist, die blutverdünnend, schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken. Dieser Speichel ist somit der Hauptgrund, weshalb Blutegel weiterhin eine Rolle in der heutigen Medizin spielen.

Die heutige Behandlung mit Blutegel

Blutegel wurden und werden gelegentlich bei Venenentzündungen, Blutergüssen, Schleimbeutelentzündungen und Gelenkergüssen eingesetzt. Auch bei Vergiftungen durch den Biss giftiger Tiere griffen Ärzte auf diese tierische Hilfe zurück. Heute werden Medizinische Blutegel vor allem bei Wundheilungsstörungen, Arthrose, entzündlichen Prozessen, Migräne, Bluthochdruck und sogar bei Hämorrhoiden eingesetzt. Manchmal wird die Blutegeltherapie auch zur Replantation eines Fingers eingesetzt.

Blutegel-Fakten:

  • Aussehen: olivgrün-bräunlich mit rötlichen Streifen
  • Artengruppe: Ringelwürmer
  • kann bis zu 24 Monate ohne Nahrung überleben
  • wird bis zu 30 Jahre alt
  • Maul mit 3 Kiefern und etwa 80 winzigen Kalkzähnchen
  • saugt bis zum 5-Fachen seines Körpergewichtes an Blut
  • Vorkommen: im Süßwasser
  • Außerhalb des Wassers bewegt sich der Blutegel mithilfe von zwei Saugnäpfen an den Körperenden fort

Vorsicht: Freilebende Blutegel, zum Beispiel aus dem Gartenteich, sollte man keinesfalls zu Therapiezwecken verwenden! Medizinische Blutegel werden unter speziellen kontrollierten Bedingungen gezüchtet, um Risiken und mögliche Nebenwirkungen zu minimieren.

Abschließend bedanken wir uns bei diesen tierischen Gesundheitsförderern, die schon unzählige Leben gerettet haben und  auch in Zukunft anderen Tieren und Menschen so manches Leid ersparen werden.

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