Teil 3: Mag. pharm. Henriette Klebewohl
Mag. pharm. Henriette Klebewohl. Die Rolle der Tiere in der Medizingeschichte: Einst wurde der „Spanische Käfer“ (Lytta vesicatoria), auch als „Spanische Fliege“ bekannt, in speziellen Gehegen gezüchtet, um ihn später zu zermahlen und zu einer Salbe zu verarbeiten. Diese Salbe wurde auf ein Pflaster aufgetragen – das sogenannte „Kantharidenpflaster“ – und mit dem Versprechen einer schnellen Heilung auf die schmerzende Stelle geklebt.
Historischen Aufzeichnungen zufolge erfreute sich das Kantharidenpflaster zunächst insbesondere in der arabischen Welt großer Beliebtheit und verbreitete sich mit der Zeit auch in das heutige Europa. Eine der ersten nachweisbaren Anwendungen dieses Pflasters auf europäischem Boden stammt aus dem 7. Jahrhundert n. Chr. Der im Byzantinischen Reich lebende Alexander Dralianos beschrieb dabei die Wirkung dieser tierischen Medizin bei chronischen rheumatischen Beschwerden. Theophrastus Bombast von Hohenheim, besser bekannt als Paracelsus, behandelte im 16. Jahrhundert Gicht, Epilepsie und sogar Geisteskrankheiten mit dem Kantharidenpflaster. Auch Wirbelsäulenbeschwerden, Gelenkerkrankungen, verschiedene HNO-Erkrankungen (z. B. chronische Mittelohrentzündung) und sogar Potenzstörungen wurden zu dieser Zeit mit der Salbe aus dem Spanischen Käfer therapiert.
Die Herstellung der Salbe
Die Herstellung der Salbe ist relativ einfach: Die Spanische Fliege wird zunächst getrocknet und pulverisiert. Dabei wird sein Wirkstoff, das Cantharidin, freigesetzt. Anschließend wird das Kantharidenpulver mit Trägersubstanzen wie Öl, Harz und Wachs – häufig auch mit Bienenwachs – vermengt. Die so entstandene, bei Raumtemperatur geschmeidige Paste wird gleichmäßig und deckend etwa 1 mm dick auf die Haut aufgetragen und mit einem Pflaster abgedeckt. Wichtig ist, dass die betroffene Hautstelle vorher rasiert und gut gereinigt wurde, damit das Pflaster seine volle Wirkung entfalten kann. Die Größe des Kantharidenpflasters sollte maximal 10 × 15 cm (z. B. im Rückenbereich) betragen, da ansonsten die aufgenommene Giftmenge für den Körper zu hoch sein könnte.
Ein feurig brennendes Pflaster
Kantharidenpflaster erzeugen eine extreme Hitze, die sogar leichte Verbrennungen verursachen kann. Kaum ist das Pflaster aufgeklebt, kommt es zu einer starken Durchblutung der behandelten Stelle und damit zu einer Erweiterung der Blutgefäße. Die Wirkung dieser Behandlung beruht auf der starken Hautreizung und der verbesserten Durchblutung, wodurch Schadstoffe aus dem Gewebe abtransportiert werden. Nach einigen Stunden bildet sich unter dem Pflaster eine große, mit Flüssigkeit gefüllte Blase, die durch die Ansammlung von Lymphflüssigkeit entsteht. Diese Blase wird am nächsten Tag punktiert, um die Lymphe abfließen zu lassen. Anschließend muss die Wunde gut gereinigt und gegebenenfalls mit einem Verband abgedeckt werden. Frühestens nach vier Wochen oder nach vollständiger Abheilung der Wunde kann an derselben Stelle erneut ein Pflaster angewendet werden.
Vorsicht ist geboten
Aufgrund seiner starken Wirkung darf das Pflaster nicht im Selbstversuch, sondern nur unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden. Kantharidensalben oder Kantharidenpflaster sind heute nur noch schwer erhältlich, was nicht zuletzt daran liegt, dass zum einen die positive Wirkung wissenschaftlich nur bedingt belegt ist und zum anderen eine Überdosierung sogar tödlich enden kann. Auch aus Gründen des Tierschutzes ist eine Therapie mit dem zermahlenen Insekt heute mehr als fragwürdig – schließlich gibt es mittlerweile zahlreiche Alternativen, die ohne Tierleid auskommen. Dazu zählen unter anderem Capsaicin-Pflaster, Reiztherapie und Schröpfen.
Einen Platz in der glorreichen Medizingeschichte hat sich dieses tierische Heilmittel aber auf jeden Fall verdient.
Fakten: Spanische Fliege bzw. Spanischer Käfer
- Familie: Ölkäfer
- Ein ausgewachsener Käfer wird 9 bis 21 Millimeter lang.
- Er ist metallisch grün gefärbt.
- Der Käfer besitzt einen strengen Geruch.
- Spanische Käfer leben in Gebüschen an warmen Orten.
Die Anwendung birgt Risiken – es kann zu Nierenreizungen und gefährlichen Infektionen kommen.
Aus Sicht der evidenzbasierten Medizin gibt es kaum Belege für eine heilende Wirkung des Kantharidenpflasters, die über einen Placeboeffekt hinausgeht.
Der angebliche Erfolg des Kantharidenpflasters beruht vor allem auf seiner durchblutungsfördernden und den Lymphstrom beschleunigenden Wirkung. Moderne Medizin verwendet Cantharidin heute fast ausschließlich in sehr kontrollierten Mengen zur Warzenbehandlung.