Der Teufel im Krapfenwaldl

Sagen aus Österreich: Teil 8 Wien – Diese Sage hat sich im 19. Wiener Gemeindebezirk zugetragen.

Der Teufel im Krapfenwaldl: Zur Zeit, als noch wandernde Handwerksburschen durch die Welt zogen, um auch in fremden Ländern und bei fremden Meistern etwas zu lernen, saß der Teufel ein­mal am Rand eines schmalen Waldwegs, der auf den Kahlenberg führte, und hatte eine große Schüssel voll Krapfen auf dem Schoß. Es war Faschingszeit, und die teuflischen Krapfen dufteten weit durch den Wald.
Als der Teufel einen jungen Schlossergesellen den Weg heraufkommen sah, stellte er rasch die Schüssel voll Krapfen mitten auf den Weg und versteckte sich hinter einem Baum. Der Bursche kam näher, und als er mit­ten auf dem Weg eine Schüssel voll Krapfen stehen sah, überlegte er nicht lange, wer sie dort hingestellt haben könnte, setzte sich daneben und aß einen Krapfen nach dem anderen auf.
Kaum war die Schüssel leer, trat ein schwarzes Männlein hinter dem Baum hervor und fragte den Burschen: „Hat’s geschmeckt?“ „Ja“, antwortete der junge Schlosser. „Ich könnte gleich noch so eine Schüssel voll Krapfen vertragen.“
„Kannst du haben“, sagte das schwarze Männlein – und schon stand eine zweite Schüssel voll Krapfen da. Aber als der Bursche zulangte und zu essen begann, sagte das teuflische Männlein: „Halt ein, so haben wir nicht gewettet. Die zweite Schüssel Krapfen kriegst du nicht umsonst!“ Da wusste der junge Schlosser auf einmal, wo­ran er war, und ihm wurde sehr bang. Er fragte: „Was sollen sie denn kosten, deine Krapfen?“
„Nur deine Seele“, antwortete das Männlein. „Iss auf, dann geht’s gleich fort in die Hölle!“
Der junge Schlosser aß die teuflischen Krapfen ganz langsam einen nach dem andern und dachte nach, wie er seine Seele doch noch retten könnte. Da fiel ihm ein, dass es schon so manchem gelungen war, den Teufel zu überlisten, und er wusste plötzlich, wie er es anfangen sollte.
„Du willst mich doch nur schrecken“, sagte er zu dem schwarzen Männlein. „In Wirklichkeit bist du ein ganz gewöhnlicher Krapfenbäcker.“
Da war der Teufel beleidigt. „Ich bin der Teufel!“, rief er ärgerlich. „Und ich will deine Seele haben! Iss endlich deine Krapfen auf!“
„Nein“, antwortete der junge Schlosser. „Das kann jeder sagen, dass er der Teufel ist. Beweise es mir, dann darfst du mich holen.“
Der Teufel merkte, dass der junge Bursche eine besonders starke Seele hatte. Er wurde ganz gierig danach, sie in die Hölle zu bekommen, und rief unvor­sichtig: „Wie soll ich dir denn beweisen, dass ich der Teufel bin?“
„Du musst dich in einen Riesen verwandeln, so groß, dass er über den Kahlenberg spucken kann“, sagte der junge Schlosser.
Da fing das kleine schwarze Männlein an zu wachsen und wurde so groß wie ein Riese und spuckte über den Kahlenberg. Dann wurde es wieder klein wie zuvor.
„Schön“, sagte der Bursche. „Aber groß werden kann bald einer. Halb glaub ich dir schon. Aber jetzt musst du so klein werden wie eine Eichel.“
Der Teufel schrumpfte sich eilig zusammen, bis er so klein war wie eine Eichel. Aber bevor er sich wieder in das schwarze Männchen zurückverwandeln konnte, hatte ihn der junge Schlosser schon mit fester Hand gepackt, in seinen Brotsack gesteckt und diesen fest zugebunden. Dann lief er hinunter nach Grinzing zur nächsten Schlos­serwerkstatt, legte den Beutel mit dem eichelgroßen Teufel darin auf den Amboss und häm­merte so lange darauf ein, bis der Teufel schrie: „Behalt deine Seele, aber lass mich raus!“ Der junge Schlosser öffnete den Brotsack und der Teufel fuhr laut schimpfend heraus und verschwand.
Die Geschichte von dem Schlossergesellen und dem Teufel wurde bald um und um erzählt, und seit damals heißt der Ort im Wald, wo der teuflische Krapfenbäcker mit zwei Schüsseln Krapfen eine Seele fangen wollte, „Krapfenwaldl“.


„Der Teufel im Krapfenwaldl“ ist eine Sage aus dem Buch „Sagen aus Wien“
von Friedl Hofbauer, 88 Seiten, G&G Verlag; ISBN-13: 978-3-7074-2268-9

Cover des Buches Sagen aus Wien. Darin enthalten: Der Teufel im Krapfenwaldl


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: